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Literaturcafé mit Franzobel am 2. April 2019

Am Dienstag vor den Osterferien war Franzobel, der „literarische Tausendsassa aus Österreich“ (Deutschlandfunk), zu Gast im Literaturcafé der DSM. Die Veranstaltung fand diesmal in Kooperation mit dem Österreichischen Kulturforum Madrid statt. Franzobel, der in vielen literarischen Gattungen zuhause ist, las für die Besucher des Literaturcafés aus seinem aktuellen Roman „Das Floß der Medusa“, der die historisch belegte Geschichte der Überlebenden der Havarie der Fregatte Medusa am 2. Juli 1816 vor der westafrikanischen Küste erzählt.

Dass es dabei um eine Ergründung der Abgründigkeit des menschlichen Daseins geht, wird bereits im ersten Kapitel des Romans angedeutet: „In jedem Fall ist dieser `Vorfall´ etwas, das am (…) europäischen Nationalstolz kratzt, weil er Abgründe des Menschen offenbart, zeigt, was mit dieser Spezies alles möglich ist.

Die sich daraus ergebenden teils drastischen und bisweilen auch urkomischen Bildwelten, die der sprachgewitzte und in sehr eigenwilliger Manier vortragende Franzobel seinem Publikum an diesem Abend vorsetzte, führten eindringlich vor Augen, wie dünn die Haut der Zivilisation werden kann, wenn Menschen in Extremsituationen geraten. Die Grenze zur Barbarei scheint schneller überschritten werden zu können, als man selbst es für möglich gehalten hat.

Und so hatte sicher eine Reihe Gäste bei der Beschreibung der vom Floß geretteten Schiffbrüchigen auch die Bilder der Bootsflüchtlinge im Kopf, die seit einigen Jahren regelmäßig in den Abendnachrichten zu sehen sind.

Dennoch bezogen sich die Fragen im Anschluss an die Lesung vor allem auf die Entstehung des Romans und die Recherchen zu den tatsächlichen historischen Ereignissen und deren Hintergrund. Dabei erklärte Franzobel auch seine Idee mit dem literarischen Kunstgriff des nicht ausschließlich im historischen Kontext Erzählten. Sein Erzähler nutzt in seinem Bericht aktuelle Bezüge und Vergleiche, er erzählt aus einer gegenwärtigen Perspektive schon. Dieser Kunstgriff macht den Roman nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich zu etwas ganz Besonderem. So fühlen sich beispielsweise die Schiffbrüchigen ob ihrer erlittenen Hungersnot „wie Veganer auf einer Grillparty“.

Wie immer konnten die Besucher nach der Lesung noch die erworbenen Bücher signieren lassen und wurden vor und nach der Veranstaltung durch den Jahrgang 11 mit Getränken und Tapas bewirtet.

Auch die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe zog Franzobel am nächsten Morgen mit seiner Geschichte in den Bann. Die anschließenden Fragen in Bezug auf die politische Aktualität des Textes bewiesen das aufmerksame Interesse, das Franzobel auch bei den Schülerinnen und Schülern dank seiner besonderen Art des Vortrags wecken konnte.  Es zeigte sich, dass gerade beim jungen Publikum einige der geschilderten Szenen zum weiteren Nachdenken angeregt haben dürften, denn es geht in diesem Roman letztlich um eine der essentiellen Lebensfragen: Wozu ist ein Mensch fähig? Oder, wie es der Erzähler des Romans formuliert hat:

Wir können es uns also bequem machen und uns versichern, wir sind anders, bei uns kommt sowas nicht vor. Doch ist das wirklich so?“